Immer mehr jugendliche Mädchen äußern den Wunsch nach einer ästhetischen Brust- oder Genitaloperation. Dass dieser Trend keine Erfindung der reißerischen Boulevardpresse ist, zeigen aktuelle Zahlen der „American Society of Plastic Surgeons“: so wurden im Jahre 2010 allein in den USA über 4600 Brustverkleinerungen vorgenommen – bei jungen Mädchen zwischen 13 und 19 Jahren. Noch eindrücklicher lässt sich das an der Anzahl von Brustvergrößerungen bei pubertierenden Frauen erkennen: über 8200 Mal suchten Teenagerinnen in den USA im Jahre 2013 den plastischen Chirurgen zu diesem Zweck auf.
Nicht zuletzt diese Daten waren Grund genug für Ärzte aller Betroffenen Fachrichtungen diesem aktuellen Thema größere Aufmerksamkeit zu widmen. Zu diesem Zweck veröffentlichten Experten aus den Bereichen der Gynäkologie, Kinderheilkunde, der Psychiatrie und der plastischen Chirurgie kürzlich ein gemeinsames Aufklärungs- und Informationsschreiben. Dieses richtet sich vornehmlich an Ärzte – doch auch Patientinnen und Ihre Eltern können vom Inhalt durchaus profitieren. Daher möchten wir Ihnen an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung den wichtigsten Auskünften aufbereiten.
Gynäkologie/Frauenheilkunde
Professor Julie L. Strickland von der Universität Missouri sieht im Vordergrund der gesamten Problematik unrealistische Vorstellungen der jungen Frauen, wie ihre Brüste und ihr Genital aussehen sollte. Grade in Bezug auf das Verständnis breiten Spannbreite „normaler“ anatomischer Gegebenheiten sowie das Wachstum während der Pubertät sieht sie eine enorme Wissenslücke. In Kombination mit der einfachen Verfügbarkeit von Bildern einer Labioplastik (einer ästhetischen Operation der äußeren Schamlippen) führt häufig zu einer Verstärkung der unrealistischen Erwartungen einer „normalen“ Anatomie.
Ihr Lösungsansatz setzt auf Aufklärung und Information, insbesondere über visuelles Material wie beispielsweise die Website „The Great Wall of Vagina“. Zudem betont Sie, dass selbst in den seltenen Fällen, wo eine kosmetische Operation angemessen ist, die Adoleszenz kaum der richtige Zeitpunkt dafür sei. Trotzdem sollten klinisch tätige Ärzte Beschwerden junger Frauen, wie Reizungen oder Scheuern durch große oder deformierte Schamlippen, durchaus ernst nehmen und praktische Hinweise zur Linderung anbieten.
Pädiatrie/Kinderheilkunde
Professor Cora C. Breuner von der Universität Washington weist auf die Bedeutung hin, Körperschemastörungen rechtzeitig zu erkennen. Nur so können unnötige Operationen vermieden werden und frühzeitig eine adäquate Therapie eingeleitet werden. Im Bewusstsein, dass es sich vor allem bei Gesprächen um die Erscheinung der Genitalien um ein sehr sensibles Thema handelt, sollte vom behandelnden Arzt jedes Warnzeichen aktiv aufgegriffen werden und eine Diskussion initiiert werden.
Der Erfahrung von Professor Breuner nach werden solche Gespräche zu selten vom Arzt angeregt – häufig aus Vorsicht die Patientin oder ein Elternteil damit zu irritieren. Um diese Problematik eines unangenehmen Gesprächs zu umgehen, schlägt Sie vor, die Patientin einen standardisierten Fragebogen bereits vor der Konsultation im Wartebereich ausfüllen zu lassen. Sie betont, dass Körperschemastörungen für ästhetische Operationen jeglicher Art ein Ausschlusskriterium sein sollten, da jede weitere Operation die eigentliche Problematik nur verstärkt und zu noch mehr Eingriffen in der Zukunft führen würde.
Psychiatrie/Verhaltensforschung
Dr. R. Scott Benson aus Florida weist auf die Notwendigkeit hin, die zugrundeliegenden Ursachen für den Wunsch des Teenagers nach einer ästhetischen Operation aufzuzeigen. Sein Vorschlag sieht vor, bei jedem minderjährigen Patienten mit dem Wunsch nach einer plastisch-chirurgischen Operation einen Experten aus der Verhaltensforschung hinzuzuziehen. In diese Gespräche sollten zur einfacheren Problemlösung insbesondere auch die Eltern miteinbezogen werden. Hierbei sollte herausgearbeitet werden, inwieweit der Teenager in verschieden Bereichen des Lebens zurechtkommt (Schule, Freunde …) und, ob der Wunsch für die Operation einfach dem Bestreben entspringt, sich „der Masse anzupassen“.
Für eine gründliche Einschätzung gehören seiner Meinung nach selbstverständlich auch Gespräche unter vier Augen mit dem jugendlichen Patienten – etwa um freier über Probleme sprechen zu können und zu erfahren, ob Druck von den Elternteilen ausgeübt wird eine Operation durchzuführen. Dr. Benson weist schließlich darauf hin, dass ein klarer Unterschied zwischen einer echten Körperschemastörung und der einfachen Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen besteht. Für die tatsächliche Körperschemastörung scheint eine Operation den subjektiven Leidensdruck nicht zu lindern.
Plastische Chirurgie
Der Präsident der „American Society for Aesthetic Plastic Surgery“, Dr. Daniel C. Mills, ist ebenfalls extrem vorsichtig bei allen minderjährigen Patienten und Patientinnen. Obwohl er nach eigener Aussage „niemals nie sagen“ möchte, sind für ihn nicht zuletzt die noch ablaufenden hormonell gesteuerten körperlichen Veränderungen ein erheblicher Grund gegen ein zufriedenstellendes Ergebnis nach der Operation. Jeglichen kosmetischen Eingriff an Brust oder genital pubertierender Frauen würde er, wenn überhaupt, lediglich zu rekonstruktiven Zwecken (nach Genitaltrauma oder bei Brustdeformitäten) durchführen.
Für diese Patientinnen sieht er dadurch die Möglichkeit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität. Er stellt deutlich heraus, dass Brustvergrößerungen von keinem renommierten plastischen Chirurgen durchgeführt werden sollten, bei Mädchen in der Pubertät. Er nach kompletten Abschluss des Wachstums mit etwa 18-20 Jahren ist aus seiner Sicht ein solcher Eingriff zu diskutieren. Zum Thema Genitalchirurgie bei Teenagern weißt er neben den bereits angesprochenen Punkten auf die schlecht abschätzbaren Langzeitergebnisse hin. Trotzdem sieht auch er hier eine deutliche Zunahme an diesbezüglichen Konsultationen und weißt ebenfalls auf die Bedeutung einer adäquaten Aufklärung sowie Beruhigung der Frauen hin.